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11.11.16

Wildshuter Feldgespräche: „Unser täglich Brot“

Das Korn steht am Anfang der Zivilisationsgeschichte. Der Bauer säte Weizen, Einkorn, Emmer, Roggen, Dinkel und Gerste und konnte – wenn alles gut lief – eine gute Ernte einbringen. Und so ist Brot seit den ersten Hochkulturen die Hauptnahrungsquelle der Menschen. Per Zufall wurde dabei auch das Bier „entdeckt“. Und: es gibt wohl kaum ein Lebensmittel mit einer derart tiefen symbolischen Bedeutung: Brot steht für das Leben an sich, ist Sinnbild für Nahrung und noch dazu ein „Genussmittel“. Brot verlor allerdings im Laufe der Geschichte mehr und mehr an Wert – was zählte, war nur noch der Preis. Und die Bäcker? Sie verloren ihr handwerkliches Wissen. Jährlich sperren von ihnen in Österreich zwischen 30 und 50 zu. Backwaren – mit vielen Zusatzstoffen – laufen mehr und mehr vom Band und werden nur noch aufgebacken.

In der von Stiegl neu initiierten Gesprächsreihe „Wildshuter Feldgespräche“ diskutiert kürzlich kompetente Gäste wie Slow Food-Botschafterin für Lebensmittel und Brot-Expertin Barbara van Melle, Pater Virgil Steindlmüller OSB, Prior der Erzabtei Stift St. Peter, die seit 1160 die Stiftsbäckerei St. Peter betreibt, Tauernroggen-Bauer Peter Löcker (vom Biohof Sauschneider), Bio-Bäcker Jakob Itzlinger (Faistenau/Salzburg), Matthias Bauer, Sortimentsmanager für Brot bei SPAR, Anton Haubenberger, Geschäftsführer von Haubis, dem niederösterreichischen Traditionsbäcker mit rund 800 Mitarbeitern und Stiegl-Kreativbraumeister Markus Trinker das Thema „Unser täglich Brot. Backmischungen, Teiglinge, 15-Cent-Semmerl: Wird das Backhandwerk zur Nische?“.

Schon jetzt sperren in Österreich jedes Jahr zwischen 30 und 50 Betriebe zu. 2005 gab es in Österreich noch 1.920 Bäcker. 2015 waren es nur noch 1.532. Das entspricht einem Rückgang von 20 Prozent (Quelle: KMU Forschung Austria, Fach-/Berufsgruppenmitglieder, Mai 2016). Ein Trend, der durch die 15-Cent-Semmel im Supermarkt, die quasi Symbol des bedingungslosen Preiskampfes mit dem Handel ist, weiter zunehmen wird. „Viele Bäcker haben ganz einfach den Zug der Zeit verpasst. Dass Verdrängungswettbewerb und Preiskampf weitergehen und auch in den nächsten Jahren viele ihre Türen für immer schließen werden, steht außer Zweifel“, ist Barbara van Melle überzeugt. Sie ergänzt jedoch, dass das Pendel auch in die andere Richtung zurückschlage: „Zunehmend mehr Menschen sehnen sich nach gutem Brot, das so schmeckt wie früher und in dem nichts drin ist, was nicht ins Brot gehört. Während Berichte über zugesetzte Enzyme im Brot neue Verunsicherung schüren, erleben handwerklich arbeitende Bäcker einen wahren Boom.“ Und Bio-Bäcker Jakob Itzlinger ergänzt: „Die Bäcker müssen Nischen finden, wenn sie überleben wollen.“

Es braucht also schlichtweg Vor- und Weiterdenker, die nicht die katastrophalen Zustände beklagen, sondern die Ärmel hochkrempeln und zeigen, wie es auch anders geht. Entscheidend sind – wie so oft – die Zutaten. „Je einheitlicher die Brotgetreidesorten werden, umso einheitlicher wird auch das Brot schmecken“, ist Peter Löcker vom Biohof Sauschneider überzeugt. Er kultiviert mit seiner Frau Liesi in St. Margarethen im Lungau (Salzburger Land) verschiedene Getreidesorten, aus denen am eigenen Hof Brot gebacken wird. Darunter ist auch der legendäre, beinahe ausgestorbene Lungauer Tauernroggen, der von „Slow Food“ auch als „Presidio“, d.h. als besonders schützenswert, ausgezeichnet wurde.

„Wir legen großen Wert auf einen nachhaltigen Landbau und sind davon überzeugt, dass dem Boden als Grundlage der Fruchtbarkeit und Gesundheit eine besonders wichtige Bedeutung zukommt“, erklärt Peter Löcker.

Bier ist flüssiges Brot
Auch Stiegl schenkt dem Boden auf seinem Gut Wildshut, das die Stiegl-Inhaber Heinrich Dieter und Alessandra Kiener vor gut einem Jahr bei St. Pantaleon aus der Taufe gehoben haben, große Aufmerksamkeit, denn für die Privatbrauerei beginnt Bierbrauen schon dort. Kultiviert werden in Vergessenheit geratene Urgetreidesorten, die in dieser Region gut gedeihen und gleich vor Ort vermälzt, zu Bier verbraut und neuerdings auch zu einem Edelbrand gebrannt werden. Das ist einzigartig in Österreich. „Auf unserem Gut leben wir Kreislaufwirtschaft und Artenvielfalt“, erzählt Kreativbraumeister Markus Trinker, der ergänzt, dass das Brauerhandwerk einiges mit dem des Bäckers gemein habe: „Um ein gutes, klassisches Holzofenbrot zu backen, genügen, wie beim Bier auch, die Grundzutaten Getreide, Wasser und Hefe. Natürlich geht es nicht ohne ‚Gewürz‘: Beim Bier haben wir den Hopfen. Beim Brot sorgt eine Prise Salz für ein perfektes Ergebnis. Der Braurückstand – unser Bio-Treber – eignet sich dann übrigens auch als schmackhafte Zutat beim Brotbacken.“

„Ego sum panis vitae“
(„Ich bin das Brot des Lebens“, vgl. Johannesevangelium, Kapitel 6, Vers 35) „In der Bibel wird Brot als symbolische Nahrung verstanden, die nicht „nur“ den Körper, sondern auch die Seele nährt. Christus, der Gesalbte, ist der Mittler zwischen Himmel und Erde, der als „lebendiges Brot“ vom Himmel kommt. Seinen sakralen Höhepunkt hat diese Brot-Symbolik im christlichen Abendmahl“, erklärt Pater Virgil Steindlmüller OSB, Prior des Salzburger Stift St. Peter. Brot und Leben wurden zu Synonymen: das tägliche Brot war gleichbedeutend mit dem täglichen Überleben. St. Peter betreibt seit 1160 eine Stiftsbäckerei, die heute bei Einheimischen überaus beliebt und bei Gästen eine begehrte Sehenswürdigkeit ist. „Das Besondere: Im holzbefeuerten Ofen backen wir ein Schwarzbrot aus einem Natursauerteig“, so der Prior.

Brot ist nicht gleich Brot
Dass in manchen Broten aus dem Supermarkt Zusatzstoffe enthalten sind, kann jeder Kunde nachlesen. Auf den Verpackungen werden „Zutaten“ wie Guarkernmehl, Karamellsirup und verschiedene Glyceride aufgelistet. Auch viele Bäckereien bedienen sich der Tricks der Industrie. Viel Gebäck wird heute auch beim Bäcker mit industriell vorgefertigten Backmischungen hergestellt, in denen ebenfalls zahlreiche Zusatzstoffe enthalten sind. Supermarkt und Bäckerhandwerk, geht das überhaupt zusammen?

Handel arbeitet mit regionalen Bäckern
Bei SPAR, dem größten privaten Lebensmittelhändler in Österreich, arbeitet man seit vielen Jahren mit lokalen Bäckern zusammen. Auf Österreich verteilt sind das mehr als 500 Bäcker, die nach traditionellen Handwerksmethoden an die 10.000 unterschiedlichen Backwaren für SPAR herstellen. Matthias Bauer, SPAR-Sortimentsleiter für Brot und Backwaren sieht in dieser Form der Zusammenarbeit viele Vorteile: „Die regionalen Bäcker haben einen zusätzlichen und wertvollen Marktplatz, abgesehen vom eigenen Geschäft oder Verkaufsraum. Durch die Kooperation mit uns ergeben sich darüber hinaus für die Bäcker aber auch Wachstumsperspektiven.“ Zusätzlich betreibt der Lebensmittelhändler selbst acht regionale Interspar-Bäckereien, in denen noch handwerklich produziert wird und echte Bäcker und Konditoren arbeiten. Um den Kunden ein möglichst breites Sortiment anzubieten, werden in den Outlets auch Teiglinge gebacken. Kurzfristige Reaktionen auf schwankende Nachfragen sind dadurch möglich. Den Vorwurf, dass SPAR durch das „ständig frisch“-Prinzip unnötig Lebensmittel verschwendet, lässt Bauer so nicht gelten: „Wir reduzieren unser Angebot am Abend und können durch ständige Systemverbesserungen sehr gut planen. Für SPAR stehen Teiglinge also nicht im Widerspruch zum Backhandwerk. Das Aufrechterhalten des traditionellen Bäckerhandwerks wird groß geschrieben.

Größe kein Qualitätskriterium: „Klein heißt nicht automatisch besser“
Haubis-Eigentümer Anton Haubenberger schlägt in dieselbe Kerbe: „Die Größe eines Bäckers soll kein Qualitätsmerkmal für die Produkte sein. Kurzum: nur weil ein Betrieb ‚klein‘ ist, bäckt er nicht automatisch das bessere Brot, ohne Backmischungen oder mit Zutaten aus Österreich.“ Haubenberger bricht auch eine Lanze für den oft schlecht geredeten Teigling: „Teiglinge per se sind eine gute Sache, denn sie werden ganz nach Bedarf gebacken und können außerdem vom Bäcker vor Ort veredelt werden. Das Semmerl im Regal ist auf diese Weise immer frisch. Unsere Teiglinge stellen wir außerdem aus beinahe 100 Prozent österreichischem Mehl – hauptsächlich aus Nieder- und Oberösterreich – her. Wir kennen unsere Lieferanten seit Jahrzehnten und mit vielen verbindet uns schon mehr als eine Partnerschaft“, erklärt Haubenberger, der als Erfinder der Teiglinge gilt. Der niederösterreichische Bäcker Haubis (Petzenkirchen) ist seit 1902 in Familienbesitz und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter. Mit dem „Haubiversum“ machte Haubenberger sein Unternehmen auch für die Öffentlichkeit zugänglich.

Quellen:
*Markus Brauer, Stuttgarter-Zeitung.de, Okt. 2016

Ammerer, Gerhard (1994): „Lebensmittel – Mittel zum Leben. 1. Teil Brot“, Schriftenreihe des ÖNB.

Van Melle, Barbara (2015): „Der Duft von frischem Brot. Österreichs beste Bäcker verraten ihre Rezepte“. Christian Brandstätter Verlag, Wien.

Metzger, Christine; Ruckser, Elisabeth (2015): „Brot backen. Wie es nur noch wenige können“. Servus by Benevento Publishing, Salzburg.

KMU Forschung Austria, Austrian Institute for SME Research: Zahlen, Daten, Fakten – das österreichische Lebensmittelgewerbe. Internetgrafiken: Bäcker, Mai 2016

Pressebild1: Am Stiegl-Gut Wildshut diskutierten rund um das Thema Brot: im Bild v.l.
Anton Haubenberger (GF Haubis), Matthias Bauer (Sortimentsmanager für Brot bei Spar),
Pater Virgil Steindlmüller OSB ( Erzabtei Stift St. Peter), Barbara van Melle (Slow Food-Botschafterin für Lebensmittel), Markus Trinker (Kreativbraumeister bei Stiegl), Peter Löcker (Tauernroggen-Bauer) und Jakob Itzlinger (Salzburger Bio-Bäcker).

Pressebild2: Anna Grünwald, die „gute Seele“ am Stiegl-Gut Wildshut beim Brotteig zubereiten.

Pressebild3: Das köstliche Wildshuter Brot können Besucher am Stiegl-Gut Wildshut im „Kramerladen“ genießen.

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